Durch einen Artikel bei Übermedien fühlte mich an meinen Beitrag „Genderer/in, Genderer*in, Genderer_in, gegender, …„ vom 18.August 2019 (Meine Güte, hätte Ich nicht gedacht das der schon so alt ist) erinnert.
Damals war der Auslöser für den Artikel eine Verlinkung auf jetzt.de in “6vor9” vom BildBlog.
In dem Artikel bei Übermedien vom 21.6.2021 wird über eine Pressemitteilung der führenden deutschen Nachrichtenagenturen AFP, APA, dpa, epd, Keystone-sda, KNA, Reuters und SID berichtet, zukünftig “diskriminierungssensibler zu schreiben und zu sprechen”.
Ein löbliches Ansinnen.
Genauer heisst es da im vollen Wortlaut:
21.06.2021 – 10:00
dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
Nachrichtenagenturen wollen diskriminierungssensibler berichten
Berlin (ots)
Die deutschsprachigen Nachrichtenagenturen AFP, APA, dpa, epd, Keystone-sda, KNA, Reuters und SID haben ein gemeinsames Vorgehen vereinbart, um diskriminierungssensibler zu schreiben und zu sprechen. Das generische Maskulinum wird in kompakter Nachrichtensprache noch vielfach verwendet, soll aber schrittweise zurückgedrängt werden. Ob die Nachrichtenagenturen in einigen Jahren ganz darauf verzichten können, hängt von der weiteren Entwicklung der Sprache ab.
Noch ist unklar, ob und welches der Sonderzeichen (Genderstern, Unterstrich, Doppelpunkt etc.), die auch nicht-binäre Geschlechtsidentitäten abbilden sollen, sich im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzen wird. Bis auf weiteres verzichten die Nachrichtenagenturen daher auf die Verwendung dieser Zeichen. Bislang entsprechen sie auch weder dem amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung noch dem allgemeinen Sprachverständnis beziehungsweise der allgemeinen Sprachpraxis. Aber viele andere Möglichkeiten zur Vermeidung diskriminierender Sprache und zur Sichtbarmachung von Diversität sind konsequent zu nutzen.
Die Nachrichtenagenturen wollen die Entwicklung der Sprache in den nächsten Jahren gemeinsam beobachten und in enger Abstimmung mit ihren Medienkunden regelmäßig neu bewerten.
Beispiele für diskriminierungssensible Formulierungen
– Doppelformen/Paarformen: Schülerinnen und Schüler.
– Geschlechtsneutrale Pluralformen: die Feuerwehrleute, die Angestellten, die Pflegekräfte, die Fachkräfte, die Lehrkräfte.
– Substantivierte Partizipien: die Studierenden.
– Sache statt Person: das Fachgremium, die Redaktion, die Teilnahmeliste.
– Neutrale Funktionsbezeichnung: Vorsitz, Leitung, Personal, Personalvertretung, Direktion, Team, Belegschaft.
– Syntaktische Lösungen: Wer raucht, hat eine kürzere Lebenserwartung. (Statt: Raucher haben eine kürzere Lebenserwartung.) Alle, die dieses Programm nutzen (statt: alle Nutzer dieses Programms).
– Plural statt Singular: alle, die… (statt: jeder, der…).
– Umschreibung mit Infinitiv: Der Antrag ist vollständig auszufüllen. (Statt: Der Antragsteller muss das Formular vollständig ausfüllen.)
– Partizip Perfekt: herausgegeben/betreut von (statt: Herausgeber/Betreuer).
– Adjektiv statt Substantiv: der ärztliche Rat (statt: der Rat des Arztes).
Genau diese Handreichung finde ich ein wunderbares Beispiel dafür, was dabei herauskommen kann wenn sich Menschen einfach mal hinsetzten und sich Gedanken darum machen wie man so ein Problem lösen kann anstatt unsachlich darüber zu polemisieren.
Wenn Ich mir meinen alten Artikel von 2019 noch einmal durchlese, stelle Ich fest dass Ideen die Ich damals schon hatte nun hier aufgegriffen werden.
So wie man in der Pressemitteilung schrieb “Noch ist unklar, ob und welches der Sonderzeichen (Genderstern, Unterstrich, Doppelpunkt etc.), die auch nicht-binäre Geschlechtsidentitäten abbilden sollen, sich im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzen wird” so schrieb Ich damals “Ich kann mit den im Moment gebräuchlichen Lösungen wie den Binnen-I (LehrerInnen), dem Gendersternchen (Lehrer*innen) usw. auch nichts anfangen. Ich gebe hier den Kritikern recht, dass das meiner Meinung nach den Lesefluss stört.” Der Meinung bin Ich immer noch, wenngleich Ich das nicht mehr als so gravierend ansehe wie vor zwei Jahren. Man gewöhnt sich mit der Zeit eben dran.
Ich hatte ja damals schon die Idee einfach neue Worte zu erfinden so wie es bei Studenten, Studentinnen, Studierende schon gemacht wurde. In einer Diskussion mit mir merkte mal jemand an dass aber bei den Studierenden das nicht so ganz plausibel sei da man ja mit dem oder der Studierenden eigentlich jemanden meint der jetzt, in diesem Moment, gerade studiert, also in der Uni sitzt und lernt. Was sei aber mit dem Student der im Cafe sitze und Zeitung lese. Der studiere ja in dem Moment nicht (höchstens vielleicht den Zeitungsartikel – ein bisschen Spass muss sein!) folglich wäre er in dem Moment ja auch kein Studierender.
Nunja. Das halte Ich allerdings für Haarspalterei. Ausserdem würde man mit einem neuen, neutralen Begriff und vielleicht sogar einem neutralen Artikel auch all die Menschen mit einbeziehen die sich nicht einem der beiden Geschlechter zuordnen wollen.
Nein, Ich muss sagen die Vorschläge die oben in der Pressemitteilung gemacht wurden gefallen mir sehr gut. Dass eine Zeitung wie die Welt sich über sowas empört liegt in der Natur der Sache wenn man sich den typischen Welt-Leser (alter, weisser, CDU oder AfD wählender Sackträger) ansieht.
Ich erhebe hiermit erneut meine Forderung aus dem Sommer 2019:
Liebe Bundesregierung, bitte setzen Sie doch einfach eine so genannte “Expertenkommission” oder sowas ein, wo Leute drin sitzen die sich mit sowas auskennen und lassen die mal labern.
Witzig nebenbei: Gerade die Gesellschaft für deutsche Sprache, die sich im Moment so über das “verhunzen” der deutschen Sprache durch Gendersterne und ähnliches hervortut (Siehe dazu auch einen sehr guten Beitrag über die „Sprachnachrichten“, der Verbandszeitung des Vereins deutsche Sprache, aus der Sendung „Presseschlau“ auf dem Internet-Sender „Massengeschmack TV“ – 6,99 € im Monat, absolut unabhängig und werbefrei, 14 Tage kostenlos testen – und nein, Ich bekomme leider keine Kohle für diese schamlose Werbung hier!), wurde in den 90er Jahren von Deutschland dazu aufgefordert Regeln für die neue deutsche Rechtschreibung zu ersinnen. Zitat Wikipedia: “1987 erteilte die deutsche Kultusministerkonferenz (KMK) dem Institut für Deutsche Sprache in Mannheim den Auftrag, zusammen mit der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden ein neues Regelwerk zu entwerfen. 1988 übergaben diese einen noch unvollständigen Vorschlag mit zahlreichen, sehr weitreichenden Neuregelungen (zum Beispiel neu „Bot“ statt „Boot“ oder „Keiser“ statt „Kaiser“), der in der Öffentlichkeit und bald auch von der KMK als unannehmbar zurückgewiesen wurde.” Oh Mann… Wenn das kein “Verhunzen” der deutschen Sprache gewesen wäre, dann weiss Ich auch nicht mehr.
Und do schau her! Was haben wir denn da: Es gibt einen “Rat für deutsche Rechtschreibung” – also so eine Art “Expertenkommission, wie Ich eben geschrieben habe. Na sowas, gibbet also alles schon! Na dann meine Damen und Herren: Auftrag erkannt? Dieser Rat für deutsche Rechtschreibung ist also die Nachfolgeorganisation der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, die damals 1996 die neue Rechtschreibung erdacht haben. Ja mei! Toll, oder?
Also, was kann Ich abschliessend zu dem Thema sagen. Auf jeden Fall wird es spannend bleiben in welche Richtung sich das ganze entwickelt und Ich bin auch gespannt auf die immer absurderen Auswüchse in der Kritik ob der “Schändung” der deutschen Sprache – den Lauten der Dichter und Denker.
Mal im Ernst: Sprache ist nichts (mehr) was in Stein gemeisselt ist. Sprache ist auch immer ein Abbild der Kultur einer Epoche. Ich fasse mir regelmässig an den Kopf wenn Ich die schon fast automatisiert erscheinenden „Empörungsartikel“ lese weil dieses oder jenes nicht mehr gebräuchliche Wort aus dem Duden (dem gedruckten! wohlgemerkt) geflogen ist (Kennen Sie noch jemanden der einen AKTUELLEN! gedruckten Duden im Regal hat und wenn ja: Wie alt ist diese Person?). Fernsprechapparat z. B., Fernsprechanschluss, Hackenporsche, Wolfsrachen und Zehrpfennig wurden gestrichen. Joa. Genau. Ne?
Und für alle wehleidigen Jammerer hat der Dudenverlag sogar eine Idee gehabt: Das Buch “Versunkene Wortschätze: Wörter, die uns fehlen werden”. Toll, oder?
Zitat Verlag: “„Lichtspielhaus“, „lustwandeln“, „Ottomane“, „Pennäler“, „sapperlot“ und „Sommerfrische“ – welch wunderschöne Wortschätze, die heute keine Relevanz mehr haben und dadurch kaum mehr in Gebrauch sind. Aber sie allesamt zaubern sofort opulente Bilder einer versunkenen Welt vor Augen. Der Band „Versunkenen Wortschätze“ möchte all diesen Wörtern ein kleines Denkmal setzen und sie vor dem Vergessen bewahren. Zu besonders schönen Exemplaren erzählt die Dudenredaktion eine kleine Geschichte zu ihrer Herkunft oder Entwicklung.”
So, jetzt Ist mir aber auch vor lauter in Rage schreiben ganz blümerant und Ich glaube Ich muss mich erst mal mit meinem Plumeau auf meiner Chaiselongue verkriechen und werd dort ein wenig chillen.
In diesem Sinne: Bitte lasst bei der ganzen Diskussion ein wenig mehr Sachlichkeit walten und weniger Ideologie. Die Welt dreht sich weiter und niemand kann das aufhalten…
Ach ja, gerade gefunden und sehr dazu passend: Gendergaga ist eben kein Gaga – Eine Kolumne von Sibylle Berg.