Aufbruch, Kapitel 1


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Ich konnte es immer noch nicht glauben. 2,3 in der Abschlussnote. Gerade hatte Ich mein Prüfungsergebnis im Internet abgerufen. 2 Jahre Anstrengung hatten sich gelohnt. ich sass auf einer Bank vor dem Rathaus in Kaiserslautern. Die dicken Schneeflocken wirbelten mir an diesem völlig windstillen Tag um die Nase. Das war wieder so ein Moment der eigentlich nach einer Zigarette verlangte. Doch die Zeiten sind seit anderthalb Jahren vorbei. Nicht dass ich es nicht vermissen würde, aber…

Im Nachhinein muss Ich sagen dass das mit eine der besten Entscheidungen die Ich damals in Bad Kreuznach getroffen habe. Immer noch denke Ich mit Wehmut an diese acht Wochen dort. das Zimmer, die Station mit unserem Wohnzimmer. Mein letzter Abend ist mir vor Augen als wäre es gestern gewesen. Zusammen im Gemeinschaftsraum, Ich auf dem Balkon…

Einer meiner Mitstreiter setzte sich neben mich. Er legte mir den Arm um die Schultern und gratulierte mir.

“Mannomann. Wer hätte das gedacht.”

Ich nickte. Er bot mir eine Zigarette an welche Ich dankend ablehnte.

“Du weißt doch…”

Ich lehnte mich zurück und blickte nach oben. Ich konnte fühlen wie sich die einzelnen Flöckchen auf meinem Gesicht niederließen und schmolzen. Das Wasser lief über mein Gesicht.

Ich liebe den Winter. So mit richtig viel Schnee. Wie früher in meiner Kindheit. Wenn Ich da an unsere Winterurlaube in Baiersbronn denke.

“Was hast du vor, bleibst du hier, oder…” fragte Hans.

“Ich , nein. Ich weiß nicht. Eigentlich will Ich nur noch weg. Das letzte halbe Jahr war ein verdammter Mist. Du weißt ja…”

Hans nickte und zog an seiner Zigarette. Ich schüttelte den Kopf.

“Mein Ziel bleibt: Weg von hier, weit weit weg… Bei dir hats ja geklappt. Mannwsn Dusel. Direkt ne Anstellung bekommen. “

“Ja, Ich weiß. Ich hab wohl im Praktikum nen guten Eindruck hinterlassen. Mann, wenigstens etwas. Weißt ja, in meinem Alter.”

Ich nickte. Hans lies seine Zigarette in den frischen Schnee fallen. das Treiben wurde heftiger, immer dickere Flocken fielen vom Himmel. Eine Weile saßen wir hier noch und redeten über dies und das.

Ich schlenderte Richtung Stadt. In meinem Cafe ging Ich zum Tresen und sagte Hallo. Timo konnte mein lächeln nicht übersehen.

“Na, und?”

“2,3″ lächelte Ich

“Mann, gratuliere!” Ich nickte. Timo gab mir eine Tasse Kaffee.

“Was dazu?” Ich überlegte.

“2 Käsebrezeln.”

“Komm, das geht heute aufs Haus. Warst ja oft genug hier in den letzten zwei Jahren.”

Ich lächelte und bedankte mich. Ich nahm mein Tablett und setzte mich an meinen Stammtisch. Ich zog die Zeitung aus meinem Mantel und hängte Ihn über die Stuhllehne. Der erste Schluck Kaffee belebte richtig.

Ich schaute aus dem Fenster. Timo schwang den Besen durch das Cafe.

“Und nun?”

Ich zuckte mit den Schultern. “Weg…”

Er nickte.

“Mal sehen wohin, Ich weiß noch nicht…”

Ich nahm einen Schluck Kaffee und biss in meine Brezel.

Nach einer Weile hatte Ich meine Zeitung ausgelesen und stierte vor mir her. Mir schossen 1000 Gedanken durch den Kopf. Was nun? Wirklich weggehen? Berlin, Hamburg, München? Irgendwie war Ich mir immer noch etwas unsicher.
Ich schnappte schließlich meinen Mantel und stellte mein Tablett zurück. Ich verabschiedete mich von Timo.

“Na dann, Timo. Machs gut, denke wir werden uns mal wieder sehen.”

“Hoffe ich doch. Würde mich freuen.”

Ich gab Ihm die Hand und wir verabschiedeten uns.

Als Ich die Tür öffnete wehte mir ein kalter Wind entgegen. Ich stellte meinen Kragen auf und schwang mir meine Aktentasche über die Schulter. Langsam in Gedanken versunken schlenderte Ich gen Bushaltestelle.

Was nun? Hierbleiben? Ich sah hier keine Zukunft für mich. Ich sehnte mich nach weit, weit, weg…

Wohlig warm konnte ich die Freude in mir aufwallen fühlen. Die Autos krochen nur so daher. Kaiserslautern kam mal wieder nicht mit dem räumen hinterher. Nichts neues.

Ich hatte Glück noch ein Plätzchen auf einer Bank zu erwischen. Ich setzte mich und stellte meine Tasche neben mir ab.

Ich beobachtete die Menschen wie sie vorübergingen. Hastig brausten sie durch das weiße Treiben. Einige etwas schneller, Andere etwas langsamer. Eine älter Frau setzte sich neben mich. Ich grüßte.

Ein paar Minuten später kam auch schon mein Bus.

Ich drängte mich nach vorne und hatte Glück meinen Lieblingsplatz zu ergattern. Ganz vorne rechts. Ich liebte diesen Platz. Schon seit meiner Schulzeit. Ich stellte die Tasche neben mir ab und knöpfte meinen Mantel auf. Ich konnte durchschnaufen. Die Türen schlossen sich und das Gefährt setzte sich in Bewegung.

Ich schaute aus den Fenstern. Die weiße Landschaft rauschte an mir vorbei. Ich sah Menschen, dick eingepackt, Autos durch den Schnee kriechen, An einer Baustelle arbeiteten Männer in Organgenen Jacken und tranken heißen Kaffee aus dampfenden Bechern.

Ich liebe den Winter, er hat so etwas stilles, friedliches…

Schon als Kind mochte ich die kalte Jahrezeit am liebsten. Drinnen im warmen Zimmer auf der Fensterbank sitzen, einen Warmen Tee an der Seite, die Heizungaufgedreht und nach draußen sehen wie es schneit…

Gerade die Weihnachtsferien und besonders die Feiertage mochte Ich an liebsten. Weihnachtsabende bei Oma und Opa. Mit der ganzen Familie, Onkel, Tanten, meinem Cousin und seiner Schwester, Mama und Papa… Das waren noch Zeiten.
Der Bus holperte über die vereisten Straßen, unter der Lautertalbrücke hindurch Richtung Erfenbach. Ich sah Leute am Straßenrand Schnee fegen und strauen.

Etwa 30 Minuten später war Ich zu Hause. Ich schloss die Haustür auf, ging nach oben, betrat meine Wohnung, lagte Tasche und Mantel ab, warf die Schuhe in die Ecke und liess mich auf mein Bett fallen. Ich konnte das grinsen faktisch fühlen mit dem ich in mich hinein lächelte. Ich begann Punkte an der Decke zu zählen.Immer noch konnte Ich mein Glück nicht fassen.
Was nun, ging mir wieder durch den Kopf.

Im letzten Jahr hatte sich die Situation zwischen mir uns meiner Mutter zwar sehr entspannt, aber dennoch… Irgendwie fühlte Ich mich unfrei. Immer und immer wieder hatte Ich es durchgespielt. Mein Kopfkino.

Raus aus Kaiserslautern, nach Berlin am liebsten, in eine kleine WG ziehen, eine Arbeit finden, einfach glücklich sein.
Nach einer Weile kam Mama vom einkaufen nach hause. Ich brgrüßte sie im Flur.

“Hallo!” grinste Ich.

“Und?”

“Bestanden!”

“Ich glaubs net! Wirklich?”

“Jaa!”

“Oh mannomann”

Ich nickte.

“Komm, Ich setz nen Kaffee auf.” schlug Ich vor.

Ich ging in die Küche, nahm den alten Filter mit Satz aus der Maschine und füllte neuen ein. Die Maschine blubberte vor sich hin. Mama kam in die Küche und Ich bot Ihr einen Platz an, wir setzten uns.

“Und, schwer?”

Ich neigte meinen Kopf nach links und rechts. “Ging so, mal so mal so.”

“Ach ja, Ich freu mich für dich”

Ich nickte. Die Maschine röchelte und Ich holte Tassen aus dem Schrank. Ich goss uns Kaffee ein und holte Milch und Zucker.

“Und nun?”

“Weiss nicht. Ich werd die Woche mal sehen was sich so ergibt.”

“Wenn du mal wieder nicht zu spät dran bist. Warum hast du denn nicht schon längst angefangen dich zu bewerben?”

Ich zuckte mit den Schultern und nippte an meinem Kaffee. Ich wusste keine Antwort. Gedankenverloren sah Ich aus dem Fenster. Der Scheefall wurde dichter.

“Jaa, Ich weiss. Aber eigentlich will ich ja doch nicht hierbleiben. Das weisst du doch.”

“Ach. Aber wieso bleibst du nicht noch ein, zwei, drei Jahre hier. Suchst dir hier eine Arbeit. Schreib doch mal an die Stadt oder so. Du kannst doch nicht so direkt nach der Ausbildung in eine andere Stadt gehen, da nimmt dich doch keiner. Such dir erst mal hier was, dann sieh weiter.”

“Ach. Das ist doch alles verlorenen Zeit hier. In dem Kaff kann manns doch echt vergessen. Was soll Ich denn hier. Mann, Ich werd 26 Jahre diesen Monat. Ich muss hier raus. Ich hab sowieso schon 5 Jahre nachzuholen die Ich verschleudert habe. Das gibt mir keiner wieder. Mann, Ich werde fünfundzwanzig. Fünfundzwanzig. Da haben andere schon drei Kinder, ein Haus, eine Frau, ein Auto. Ich hab nicht mal ne Freundin. Das sackt doch alles hier, das bringts net.”

“Ich weiss… aber….”

“Ja, Ich kanns ja verstehen. Ich hab dich dazu überredet das Haus zu behalten, aber trozdem. Ich muss hier weg. Das bringt nix wenn wir uns weiter so aneinanderketten.”

“Du hast ja recht…”

Wir schwiegen und tranken an unserem Kaffee. Nach einer Weile machte Ich mir Abendessen und legte mich ins Bett vor den Fernseher. Irgendein dieser Vorabend Krimis lief gerade. Stupide Hirnspülung. Ich musste abschalten.

Lustlos schaufelte Ich die Parmesanspaghettis in mich hinein. Das Programm plätscherte vor sich hin. Irgendwann gegen 12 muss Ich eingeschlafen sein…


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