Hast du das mit der Helene Fischer mitbekommen, fragte mich meine Mutter dieser Tage.
Hatte Ich.
Besagte Frau Fischer hatte sich wohl bei einem Konzert in Hannover bei einer „Akrobatik Einlage“ so schwer verletzt, dass Sie das Konzert abbrechen musste.
Was muss man denn da auch so eine Show abziehen, meinte meine Mutter. Reicht das denn nicht, wenn die sich einfach auf die Bühne stellt und singt? Der Grönemeyer ist doch auch erfolgreich, ohne so ein “Firlefanz”, meinte Sie dann sinngemäss.
Auch die Kommentare unter einem Spiegel Online Artikel zu dem Thema, gingen in eine ähnliche Richtung.
Die Musik stehe nicht mehr im Vordergrund sondern die Show. Man habe kein Zutrauen mehr in die eigene Musik und müsse diese Unsicherheit mit so einer sinnlosen Show kaschieren. Sie könne sich nicht entscheiden ob sie nun auf der Bühne singen oder Turnübungen machen wolle und dann passiere eben sowas. Sie solle doch versuchen durch gute Musik zu überzeugen anstatt durch fragwürdige Showelemente. Einer meinte, er habe gedacht, dass man wegen der Musik auf ein Schlagerkonzert gehe und nicht wegen der Show, aber anscheinend scheint die Optik im Schlagerbereich mittlerweile ähnlich wichtig zu sein wie im Pop. Wenn die Dame singen könnte bräuchte Sie keine Show, und so weiter und so fort.
Ich finde die Bemerkungen meiner Mutter, bzw. die der Spiegel Online Leserinnen hier sehr seltsam.
Ich hab meine Mutter dann im Gegenzug gefragt, was wäre denn gewesen, wenn sich bei einem Rammstein- oder Powerwolf-Konzert, von denen meine Mutter ein grosser Fan ist, jemand beim Auftritt an einem Flammenwerfer verletzt hätte, oder was die da sonst noch so für gefährlichen Krempel auf der Bühne rumstehen haben. Hättest du dann auch gesagt, was müssen die denn da auch für eine riesen Show machen, reicht das nicht, wenn die sich einfach nur auf die Bühne stellen und singen. Diese Frage stellte Ich Ihr im Hinblick darauf, dass Sie mir nämlich schon oft von solchen Show-Konzerten vorgeschwärmt hatte, die Sie im Fernsehen gesehen hatte.
Mir war nun nicht ganz klar, warum es bei Rammstein oder Powerwolf OK sein solle, wenn man auf der Bühne herumkaspert und bei Frau Fischer nicht.
Anscheinend gibt es Musikgenres, wie den Heavy Metal, bei dem man kaspern darf und es gibt Genres wie den Schlager bei dem man das nicht dürfen soll. Oder so ähnlich.
So ganz hab Ich das jetzt auch nicht kapiert.
Meiner Meinung nach ist es doch so: Man muss sich ja nur mal ansehen, was das denn für ein Publikum ist, das sich so ein Helene Fischer Konzert live ansieht. Im Gegensatz zu den ganzen anderen „Schlagerfuzzis“ scheint mir hier die Alters-Bandbreite besonders breit zu sein (obwohl Ich auch 20 und 30 jährige Roland Kaiser Fans kenne). Es gibt da Fans von 9 – 99 Jahre, wobei man ja auch dazu sagen muss, dass das was Frau Fischer da für eine Musik macht ja kein “klassischer” Schlager (a la Adamo, Peter Alexander, Roy Black, Rex Gildo, Udo Jürgens, Howard Carpendale, Chris Roberts, oder natürlich der unsterbliche Freddy Quinn, usw. – die Ich ja teilweise auch sehr gerne höre) ist sondern, etwas was man wohl neudeutsch “Pop-Schlager” nennt. Man entlehnt sich also Motiven, Themen und Showkonzepten aus der Popmusik und kombiniert das mit Schlager.
Ich würde mal behaupten, dass wenn man sich eine Helene Fischer Show und eine Madonna Show parallel und ohne Ton ansehen würde, man da keine grossen Unterschied feststellen könnte.
Schlager ist ja heute nicht mehr das, was man in den 90er Jahren, also meiner Kindheit, so grob unter “volkstümlicher Musik” oder “Hum-Ta-Ta” Musik im vierviertel Takt (oder war es dreiviertel Takt? Keine Ahnung, Ich hatte ne fünf im Musik oder so) zusammen gefasst hat. Bei uns in der Pfalz hat man dazu immer verächtlich “SWR-4-Musik” gesagt. Das war ja teilweise wirklich Musik, davon bekam man ja Ohrenbluten. Schlager bzw. vor allem der Pop-Schlager, ist ja schon fast, wie es der Name vermuten lässt, Pop Musik auf deutsch. Das kann man mit diesem Schrott, den es da damals im Radio gab, kaum mehr vergleichen.
Wenn man sich mal den einen oder anderen Text von so einer englischsprachigen Schnulzen-Heulboje (wie James Blunt oder so) anhört und ins deutsche übersetzt, dann könnte das meiner Meinung nach auch ohne Probleme ein Fischer- oder Berg-Song sein.
Zurück aber zum Publikum: Ich vermute mal, dass viele Leute, die sich ein solches Show-Konzert deswegen live ansehen, weil Sie die Musik UND die Show haben wollen. Das gehört bei so einem Konzert ja einfach zusammen. Genau wie bei Rammstein. Wenn es mir nur um die Musik gänge, könnte Ich mir auch die CD kaufen oder Spotify anmachen. Es ist ja die Kombination aus Show UND Musik, die den Ausschlag gibt, sich eine Konzertkarte zu kaufen. Und selbst Ich, der dieser Pop-Schlager-Musik so überhaupt gar nix abgewinnen kann, muss nach dem Ansehen von Teilen so einer Show zumindest zugestehen, dass diese Frau Fischer schon eine immense Bühnenpräsenz hat.
Was bleibt also übrig von der Kritik?
Meiner Meinung nach nicht viel. Es gibt eben hüben, also im Schlager / Pop-Schlager Genre, als auch drüben, also im Rock / Pop, Heavy Metal Genre, Musiker und Bands, die eher eine zurückhaltende Bühnenpräsenz haben (Grönemeyer, Kaiser, Adele, usw.) als auch solche die eben eine exzessive Show aufs Parkett legen wollen (Fischer, Rammstein, Powerwolf, usw.).
Das macht weder die Musik besser noch macht es sie schlechter. Beides hat seine Fans und Anhänger.
Warum man Schlager also demzufolge nicht mit Flammenwerfern kombinieren dürfen soll, erschliesst sich mir daher leider nicht…