Gestern Morgen so gegen 8 Uhr hat meine Tante angerufen. Ich bin natürlich nicht rangegangen, denn in letzter Zeit kommunizieren wir eigentlich nur noch über Anrufbeantworter.
Bei meiner Mutter konnte sie nicht anrufen da Ich die Nummer auf Mamas Handy ja blockiert habe.
Sie teilte mir mit dass Ihr Mann, mein Onkel verstorben sei.
Er hatte Leberkrebs, Leberzirrhose und war vor kurzem im Krankenhaus gewesen weil er sich bei einem Sturz den Oberschenkel gebrochen hatte.
Als Ich mit meiner Mutter zurückrief gab es gleich wieder Streit am Telefon, da meine Mutter die Gelegenheit nutzte um Ihrer Schwester zu sagen dass Sie nun endgültig (über diese Brücke gehe Ich immer noch nicht) den Kontakt zu Ihr abbrechen werde. Das fand Ich, wie so oft bei meiner Mutter, ein wenig undiplomatisch.
Sie teilte auch gleich mit, dass sie nicht gedenke auf die Beerdigung zu gehen, da meine Tante da ja sicher wieder Streit anfangen würde. Ausserdem fragte Sie mich ob Ich sie denn verteidigen werde, wenn meine Tante auf der Beerdigung über Sie herzieht. Ich verneinte natürlich, warum soll Ich das machen? Warum soll Ich mich auf einer Beerdigung streiten? Was soll diese Verteidigung bringen? Glaubt Sie dass meine Tante dann ein Einsehen hat? Wohl kaum…
Ich werde mit ans Grab oder besser gesagt mit an den Baum gehen, denn mein Onkel wird, wie auch meine Großeltern, im Ruheforst beerdigt und danach wieder nach Hause gehen. Ich hab keine große Lust mit auf eine “Leich-Ims” zu gehen.
Ein wenig erstaunt war Ich schon, wie kühl Ich das ganze aufgenommen habe. Vielleicht ist es meine auch ansonsten immer sehr gefasste Art, vielleicht ist es weil es abzusehen war dass mein Onkel stirbt, Ich weiss es nicht.
Tja, was soll Ich nun dazu noch sagen?
Mein Onkel war in den letzten Jahren sehr krank gewesen. Leberzirrhose, dann Leberkrebs, dann am Ende das mit dem Oberschenkelhalsbruch, anscheinend auch eine Form der Demenz…
Ja, “Kiffen im Park”, daran muss Ich immer denken, wenn Ich an meinen Onkel denke.
Er hatte wohl keine einfache Kindheit. Aufgewachsen in einem Kinderheim unter prügelnden Nonnen, die Mutter erst irgendwann später kennen gelernt oder so, den Vater glaube Ich nie. Eine frühe Drogenkarriere die wohl bis zum Heroin ging von dem er dann aber irgendwann loskam und dann aber beim Hasch hängen blieb. Gelegenheitsjobs wechselten sich mit Arbeitslosigkeit und “ABM-Massnahmen” vom Amt ab, usw.
Die Überschrift zielt auf einen Vorfall ab der sich ereignet haben muss als Ich so 16 oder 17 Jahre alt war, also so um 2003, 2004 oder so. Da mein Onkel und meine Tante nur eine sehr kleine Ein-Zimmer-Stadtwohnung in der Kanalstrasse in Kaiserslautern hatten, waren Sie im Sommer sehr oft im Volkspark. Den Ghettoblaster dabei, Bier, Nudelsalat und Frikadellen…
Das Sommerwohnzimmer sozusagen.
An einem dieser Samstage war Ich dann mal mit dabei, ausserdem noch zwei oder drei Freunde von Ihnen. Wir saßen auf dem Rasen am See, schauten den Schwänen zu, hatten eine schöne Zeit…
Irgendwann ging dann eine “Zigarette” rum (Ich hab mit 15 angefangen zu rauchen, erlaubt durch meine Eltern, weil Sie ja beide Raucher waren – damals durfte man ja noch mit 16 anfangen zu rauchen in Deutschland) bei der immer wieder explizit betont wurde dass Ich daran NICHT ziehen darf (was Ich auch nicht wollte). Dass das so speziell immer wieder erwähnt wurde kam mir so komisch vor, dass Ich davon meinen Eltern zu Hause erzählte. Das machte meinen Vater, so kann Ich mich noch erinnern, recht sauer. Verständlich, denn es würde mir auch nicht gefallen wenn jemand dem Ich mein “Kind” zur Aufsicht anvertraue sich in der Zeit die Birne wegkifft.
Immer wieder muss Ich an diesen Tag denken.
Dann die Wohnung in der Kanalstraße. Den ganzen Tag lief VH1, das ganze Zimmer roch nach Zigarettenrauch, Hasch und Räucherstäbchen. Das Guns N Roses Plakat an der Decke, die “The Crow”-Videokassette im Regal, die Kondome in der Sofaritze…
Später dann der Umzug in die Pariser Straße. 4. Stock. Schöner Balkon. Sommertage an denen gefeiert und gesoffen wurde….
Meine Onkel und meine Tante waren für mich in der Kindheit immer die “coolen Verwandten”, im Gegensatz zu den “Spiessern” (meiner Großtante mütterlicherseits oder den beiden Schwestern meines Vaters).
Obwohl Ich damals, als Ich so 18 war, gerade so eine “Spiesser-Phase” hatte in der Ich fast nur im Sakko rumgerannt bin, war Ich immer gerne bei Onkel und Tante. Klar, im Rückblick sehe Ich auch dass Sie damals so “cool” waren für einen Jugendlichen wie mich, weil Sie dauernd betrunken und angekifft waren. Aber es waren auch die ganzen Lebensumstände. Die “coole” Wohnung mit den Postern an den Wänden und den Aufklebern auf dem Schrank, die ausgeflippten Klamotten, usw. Man war immer “locker” drauf, kannte schräge Typen usw.
Auf einen Jugendlichen wirkt das.
Doch man wird eben älter und reifer und erinnert sich auch an andere Situationen. Einmal waren wir auf einem Weinfest in der Vorderpfalz und Ich fuhr mit Mama, Onkel und Tante zurück nach Kaiserslautern. Ich weiss nicht wie alt Ich war aber Ich meine Ich wäre mindestens schon 20 gewesen denn Ich glaube dass Ich das Auto gefahren habe. Oder? Nein, Ich glaube Mama fuhr und Ich war Beifahrer. Ich weiss es nicht mehr. Auf dem Rückweg, nachdem beide schon ordentlich “getankt” hatten, fing meine Tante mit meinem Onkel Streit an wegen einer vergessenen Jacke oder Kappe oder was auch immer. Das ganze eskalierte so dass Sie von hinten an den Beifahrersitz meines Onkels trat, herum schrie und einen riesigen Aufstand machte. Wegen dem ganzen Zinnober drehten wir auf halber Strecke um, fuhren zurück, nur um dann festzustellen, dass die “vergessene” Sache im Kofferraum lag. Jedenfalls muss Ich, der ja normalerweise in sich ruht wie ein vollgefressener Walfisch, so ausgerastet sein und muss so gebrüllt haben dass die Situation fast eskalierte. Also wenn man mich mal zum explodieren bringt, dann muss man es aber schon ordentlich übertrieben haben…
Ja, das sind alles so Sachen…
Oder die Weihnachten bei meinen Großeltern, die Ich und mein Cousin so gerne verklären. Klar waren das für uns Kinder schöne Abende. Geschenke, lecker essen, zusammen spielen, streitende Verwandte, eine Tante die Ihrem Vater an den Kopf geworfen hat er hätte besser in den Rhein gewichst anstatt Kinder in die Welt zu setzen…
Das sind alles so Sachen die das Verhältnis zu meiner Tante merklich haben abkühlen lassen. Mein Onkel, der im Dezember 2020 verstarb, hatte zu seiner Schwester ja schon jahrelang kaum Kontakt. Aus Gründen.
Dennoch ist es traurig, dass mein Onkel verstorben ist. Auch wenn er im Leben viele falschen Entscheidungen getroffen haben mag, war er im Grunde kein schlechter Kerl…