Über die Wertigkeit von Arbeit

Was ist Arbeit? 

Sag mal – Du hast doch grade nichts zu tun
Erklär mir Arbeit —
Arbeit? Ja.
Arbeit mein Freund
– Das wird Arbeit

Na los

 

Dieser Tage stolperte Ich, kurz vor meiner Twitter Abstinenz über einen Tweet von Sascha Lobo. Er retweetete hier einen Tweet des Zentrums für politische Schönheit, einer Art Künstlerkollektiv die sich vorallem durch Aktionskunst Medienaufmerksamkeit verschaffen wie z. b. dem “Denkmal der Schande”, eine art Nachbau des Berliner Holocaust Mahnmahls auf einem Nachbargrundstück des Nazi-Politikers Björn “Bernd” Höcke. 

An und für sich hatte Ich die ja bisher für eine eher nette, linksgerichtete Truppe gehalten. 

Wie man “links” allerdings auch verstehen kann sah man in eben jenem angesprochenen Tweet:

Na gut:
Also was das Schaf da mit dem Gras macht:
Keine Arbeit — Ach?
Was man später mit dem Schaf macht

Das ist Arbeit – Aha
Generell alles was Spaß macht:
Keine Arbeit – Och
Generell was man im Gras macht
Keine Arbeit — Ach so

 

Was haben wir hier also? Eine russische Influencerin, die auf Instagram ihrer Arbeit nachgeht, Ich vermute indem Sie das übliche Zeugs macht: Schminke und Klamotten in die Kamera halten, über so genannte “Hauls” berichten, Rabattcodes an Ihre Follower senden usw. Standard eben. 

Im Zuge des von Russland gegen die Ukraine begonnen völkerrechtswidrigen Angriffskriegs haben sich mittlerweile sehr viele Firmen aus Russland zurückgezogen und oder Ihre Geschäfte dort eingestellt. Soziale Netzwerke, wie z. B. Instagram, die von Russen dazu genutzt werden können mit dem Ausland einfach in Kontakt zu bleiben, hat die russische Regierung sperren lassen, um so wenig wie möglich Eintrittskanäle in das Land zu haben die die russische Sicht auf den Krieg, der ja so dort nicht genannt werden darf, zu delegitimieren. 

 

Wir singen:
Ohne Arbeit wär das Leben öde

Also sing ich müde meine kleine Ode
An die Arbeit

 

Dies hat nun auch zur Folge dass die eben oben beschrieben Influencer, die auf die Verfügbarkeit solcher Plattformen angewiesen sind, nun in die Röhre schauen. 

Das Zentrum für politische Schönheit ätzte hier nun gegen die gezeigte Person im Tonus a la “hier sterben Menschen im Krieg und da weint jemand weil er keine Essensbilder mehr posten kann”. 

Damit kommen wir zu der Frage: Ist das legitim? Und: Ist das Arbeit? Und wenn ja, welchen Wert hat diese Arbeit?

 

Und die Lilien auf dem Feld haben:
Keine Arbeit — Na ja, aber

Sie haben kein Ziel, Jens, haben kein Geld, haben
Keine Arbeit — Das geb ich ja auch zu, aber
Aber wer das Feld bestellt hat
Der hat Arbeit — Hm
Und wenn die Welt kein Feld bestellt hat?
Trotzdem Arbeit
Und wenn man ein Zelt auf dieses Feld stellt?
Keine Arbeit — Oh.
Aber wer am Morgen vor dem Zelt bellt
Der hat Arbeit — Ach,
Ein Hund hat Arbeit?
Ja, der Hund hat Arbeit

 

Auf Wikipedia steht im Ersten Absatz des Artikels über Arbeit: “Arbeit ist eine zielbewusste und sozial durch Institutionen (Bräuche) abgestützte besondere Form der Tätigkeit, mit der Menschen seit ihrer Menschwerdung in ihrer Umwelt zu überleben versuchen.”. 

Das finde Ich eigentlich eine schöne Beschreibung.

Wenn mich jemand fragen würde was Arbeit für mich bedeutet, würde Ich sagen, dass Arbeit für mich der minimalst mögliche Aufwand an Tätigkeiten für meinen Arbeitgeber ist dessen Lohn es mir ermöglicht meine grundlegendsten Bedürfnisse zu befriedigen. 

Arbeit ist primär, finde Ich, all das was ein Mensch tut um am Ende dafür Dinge zu bekommen (Geld, Naturalien, etc.) die er für das ÜBERleben benötigt. Sekundär ist Arbeit all das was der Mensch darüber hinaus tut um sich weitere Bedürfnisse leisten zu könne, die über ein Überleben hinausgehen, also z. B. ein Auto, teure Möbel, Urlaub, besseres Essen (alles über Spaghetti mit Ketchup), usw.

 

Wir singen:
Ohne Arbe

t wär das Leben öde
Also sing ich müde meine kleine Ode
Ohne Arbeit wär das Leben öde
Also sing ich müde meine kleine Ode

 

Arbeit muss aber nicht immer einen Sinn ergeben. Es gibt mit Sicherheit eine Menge Menschen auf der Welt denen sich der Sinn Ihrer Arbeit nicht erschliesst und auch sicher einige Menschen deren Arbeit schlicht und ergreifend keinen Sinn macht. Man hat davon schon aus den USA gehört, dass es da unterbezahlte Leute in Firmen geben soll die in Großraumbüros den ganzen Tag irgendwelche Daten erfassen oder was auch immer woraus aber am Ende kein wirklicher Nutzen für irgendwen folgt. In den USA nennt man solche Jobs auch Bullshit-Jobs. 

Wikipedia zitiert hier: “Ein Bullshit Job ist eine Form der bezahlten Beschäftigung, die so vollständig sinnlos, unnötig oder schädlich ist, dass sogar die Beschäftigten selbst die Existenz der Beschäftigung nicht rechtfertigen können, auch wenn die Beschäftigten sich durch ihre Arbeitsbedingungen gezwungen fühlen, dies nicht zuzugeben.”. 

Weiter heisst es da: Viele Menschen verbringen nach eigenen Angaben an ihrem Arbeitsplatz zumindest einen Teil ihrer Arbeitszeit mit sinnfreien Tätigkeiten. Graeber identifiziert jedoch fünf Jobtypen, die in Gänze als Bullshit Jobs klassifiziert werden können:

  1. „Lakaien“ (flunkies) sind Jobs, deren eigentlicher Sinn darin besteht, ihre Vorgesetzten wichtig aussehen zu lassen; z. B. Rezeptionisten.
  2. „Schläger“ (goons) werden nur gebraucht, um Schläger anderer Unternehmen in Schach zu halten; z. B. Unternehmensanwälte, PR-Spezialisten.
  3. „Flickschuster“ (ducttapers) lösen die Symptome von Problemen temporär, ohne die Wurzel der Probleme anzugehen; z. B. Programmierer, die fehlerhaften Code reparieren.
  4. „Kästchenankreuzer“ (boxtickers) seien mit der Dokumentation von Arbeit beschäftigt, ohne selbst nützliche Arbeit zu verrichten.
  5. „Aufgabenverteiler“ (taskmasters) kreieren und verteilen sinnlose Aufgaben; z. B. mittleres Management.

 

An die Arbeit!
Los und eins

nd zwei und eins und zwei und: Fertig
An die Arbeit!
Los und eins und zwei und eins und zwei und:
Du bist Preußen!
Eins und zwei und eins und zwei und eins und zwei und: fertig
An die Arbeit!
Los und eins und zwei und eins und zwei und: Schluss

 

All die genannten Beispiele passen meiner Meinung nach nicht zu der oben angesprochen Influencerin. 

Generell finde Ich die Tatsache spannend und interessant dass es heute so etwas wie Influencer gibt. Es ist für mich die logische Weiterentwicklung des Konzepts des Testimonials. 

Früher hiess es: Ach wenn der Beckenbauer Werbung für Knorr Fertigsuppen macht, dann kann das ja kein Schmarrn sein! 

Ich glaube nicht, dass der Beckenbauer je zu Hause so einen Fertigkram gekocht hat, der ging damals, als diese Reklame noch aktuell war, eher zum Herr Witzigmann in die Aubergine oder so und liess sich da ein Süppchen vorsetzen. 

 

Wofür man morgens aus dem Bett fällt
Das ist Arbeit — Okay das hab ich verstanden

Wer sein Abdomen sich zum Brett stählt:
Das ist Arbeit – Aber das tut doch weh

 

So kann Ich also keinen Unterschied erkennen zwischen einer Arbeit die daraus besteht Tütensuppen vor eine Kamera zu halten oder den LKW zu steuern mit dem diese Suppen vom Hersteller in den Supermarkt gekarrt werden. Beides kann Spass machen, muss es aber nicht.

Mit Sicherheit gibt es LKW Fahrer die Ihre Arbeit als Passion ansehen und denen das Spass macht aber auch solche die zu dieser Tätigkeit eigentlich keine Lust haben und nur deshalb jeden Tag auf den Bock steigen weil Sie eine Familie zu ernähren haben. Und ebenso gibt es sicherlich auch Influencer die in Ihrer Tätigkeit aufgehen und das “jetten” zwischen Dubai und St. Tropez geniessen als auch solche die Ihre Tätigkeit eher als lästiges Übel ansehen das Sie machen “müssen” damit Sie am Ende des Monats mehr Geld haben als der LKW-Fahrer. 

 

Also, der Atlas, der die Welt hält
Der hat Arbeit — Ach, jetzt hör

ber mal auf
Wer einen Atlas für die Welt hält
Der hat – ?
Und der den Stein da auf den Berg rollt
Der hat Arbeit — Jau
Wer sein Bein hebt, übern Berg tollt:
Keine Arbeit —
Ja, aber Moment mal, was ist mit dem Hund – ?
Nein, der Hund macht Arbeit
Ah ja –

 

Was also ist Arbeit? Und warum wird Arbeit von so vielen Menschen so unterschiedlich aufgefasst? Ist es vielleicht der Neid von jemandem der jeden Tag acht Stunden Klos für den Mindestlohn putzen muss auf jemand der das hundertfache oder mehr verdient in dem er Geschenke die er von Firmen bekommen hat gegen Bezahlung in die Kamera halten darf? Sicher sind einige Menschen unter den Lesern dieses Tweets die genau das denken. In der Ukraine sterben Menschen und du machst dir Sorgen dass du keine Werbung mehr auf Social Media machen kannst. 

 

Wir singen:
Ohne Arbeit wär das Leben öde

Also sing ich müde meine kleine Ode

 

Aber ist das nicht vielleicht zu kurz gedacht? Was ist mit dem Bäcker in St. Petersburg der weiterhin seine Brötchen backt obwohl in Charkiv Menschen sterben? Was ist mit dem Kellner in Moskau der weiterhin Kaffee servieren darf obwohl in Mariupol Häuser zerschossen werden? Wo ist der Unterschied zwischen einem Influencer dem man die Social Media Kanäle wegnimmt und einem Handwerker z. B. wegen eines Embargos keine Ersatzteile für seinen VW Lieferwagen mehr bekommt? 

 

An die Arbeit!
Los und eins und zwei und eins und zwei und: Fertig

An die Arbeit!
Los und eins und zwei und eins und zwei und:
Du bist Preußen!
Eins und zwei und eins und zwei und eins und zwei und: fertig
An die Arbeit!
Los und eins und zwei und eins und zwei und: Schluss

 

Wer definiert welche Arbeit welchen gesellschaftlichen Wert hat? Wenn man eine Strassenumfrage machen würde ob denn die Arbeit eines Altenpflegers oder eines Influencers den höheren gesellschaftlichen Wert hat würde der Altenpfleger sicher gewinnen. Warum hat der Altenpfleger dann aber am Ende des Geldes noch Monat übrig und der Influencer am Ende des Monats noch Geld übrig? 

 

Wer ein Haus baut, einen Baum pflanzt
der hat Arbeit — ja, ist klar

Aber wer aus dem Haus schaut, um den Baum tanzt
der macht Arbeit … na ja, aber wenn…

 

Meine Arbeit ist auch eine Arbeit in der Ich keinen höheren gesellschaftlichen Wert sehe. Ich sehe darin nicht mal einen Wert für mich selbst. 

 

Jetzt reicht´s aber, ihr beiden:
An die Arbeit!

Text: Wir sind Helden – Ode an die Arbeit

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