Gestern bin Ich über folgendes Bild bei Twitter gestolpert:
Das erinnert mich an ein Thema dass mich schon sehr lange begleitet und über das Ich schon sehr viel mit meiner Mutter diskutiert habe: Was wäre wenn ein Elternteil so pflegebedürftig wird dass eine ständige Betreuung notwendig wird?
Mein Argument war dann immer wieder:
Recht verstehen konnte meine Mutter das nie.
Ich meine, damit hier kein Missverständnis aufkommt: Ich verstehe mich mit meiner Mutter sehr gut, aber Ich glaube, vom heutigen Stand her betrachtet, pflegen könnte und wollte Ich Sie nicht. Erstens ist es, zumindest im Moment, so, dass Ich mein eigenes Leben gerade nicht auf die Reihe bekomme. Ich wandle hier mit meiner Home-Office-Depression durch die Gegend und bemitleide mich selbst. Auch meinen Haushalt bekomme Ich im Moment nicht in Schuss. Ich glaube kaum, dass Ich da auch noch die Pflege eines Angehörigen auf die Reihe bekommen würde.
Dazu gab es dann auch die folgenden Beiträge:
“Man wächst mit seinen Aufgaben.” – Das hört man immer wieder und das mag bei dem einen oder anderen auch so sein.
Dennoch: Auch Ich würde nicht sagen “Ich kann nicht” sondern ganz klar “Ich will nicht”. Denn, so blöd es klingt: Ich kann mir einfach nicht vorstellen dass mir das Spass macht! Auch wenn es das eigene Elternteil wäre.
Ein weiterer Diskussionsbeitrag war da eher meiner Meinung:
Das ganze ist einfach ein schwieriges Thema zu dem Ich schon seit Jahren eine relativ gefestigte Meinung habe.
In Deutschland ist es ja so, dass wenn ein Elternteil pflegebedürftig ist und diesen Pflegeaufwand nicht aus eigenen finanziellen Mitteln bezahlen kann die Kinder zur Kasse gebeten werden (OK, Update gegooglet: Seit dem 01.01.2020 sind Kinder ihren Eltern erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro zum Unterhalt verpflichtet – früher war das mal anders.) Das finde Ich ungerecht, aus dem oben beschrieben Grund: Jeder kann sich aussuchen Kinder zu haben aber niemand kann sich aussuchen Eltern zu haben.
Immer mal wieder liest man dass Kinder die von einem Elternteil misshandelt, missbraucht oder vernachlässigt wurden später dazu gezwungen wurden diesen Eltern Unterhalt zu zahlen oder für deren Pflege aufzukommen. Da könnte sogar Ich, der sonst für sehr vieles Verständnis hat und Gewalt eigentlich grundsätzlich ablehnt, verstehen wenn diese Kinder den Eltern die Zeit der Pflegebedürftigkeit “verkürzen”, mal euphemistisch gesagt.
Ich gebe zu, das mag der Aussnahmefall sein, dennoch bleibe Ich bei dem Argument: Jeder kann sich aussuchen ob er Kinder haben will aber niemand kann sich aussuchen ob er Eltern haben will und auch nicht welche. In dem Sinne könnte man zurück-argumentieren dass meine Eltern ja auch viel Geld und Energie aufgewendet haben um mich zu erziehen, um mir Kleidung, essen, Spielzeug, Schulsachen und was nicht alles zu kaufen und Ich könnte doch dann bitteschön mal ein bisschen was dafür “zurückgeben”.
Da argumentiere Ich dann aber: Wenn sich Mama das Bein bricht kommt Sie ins Krankenhaus und die Rechnung zahlt die Krankenkasse. Wenn Mama aber dement wird und Ihre Suppe nicht mehr alleine essen kann kommt Sie ins Pflegeheim und die Rechnung bekomme im Zweifel Ich. Wo ist aber nun der logische Unterschied zwischen einem Beinbruch und einer Demenz? Ich gehe sogar soweit und ziehe einen weiteren von mir sehr geliebten Vergleich zwischen z. B. einem Rollstuhl den mir die Kasse stellt weil Ich nicht mehr laufen kann und einer Brille die mir die Kasse nicht zahlt ohne die Ich aber nichts sehen kann. Brillenzuzahlung! Auch so ein Lieblingsthema von mir, obwohl Ich selbst keine brauche. Mir konnte bisher niemand eine logische Erklärung dafür geben warum eine Krankenkasse keine Brille bezahlt.
Überhaupt: das deutsche Gesundheitssystem! Warum kann man sich nicht einfach darauf verständigen dass ALLE Menschen EINEN Beitrag in EINE “Gesundheitskasse” einzahlen, der dann sowohl für Krankenbehandlungen, Privat-Unfälle, Arbeitsunfälle, Pflege, Brillen, usw. ist. Warum brauchen wir da drei verschiedene “Säulen” (Krankenkassen, Pflegekasse, Berufsgenossenschaft) für das eine Ding “Gesundheit”? Wie viele millionen Brillen könnte man mit dem Geld bezahlen das man alleine an Verwaltung sparen könnte wenn es nur noch eine Kasse für alles gäbe! (wobei man auch schon eine menge Geld sparen könnte wenn es in Deutschland nur EINE Krankenkasse für ALLE gäbe und nicht 109 gesetzliche Kassen (das waren 1970 mal über 1800 Stück alleine in Westdeutschland!) und 43 Privatkassen.)
Ja, aber zurück zur Pflege. Aus meinem weiteren Bekanntenkreis habe Ich das was man oben in der Annonce lesen kann aber auch schon das eine oder andere mal gehört: “Ja, die XY hat sich ja regelrecht aufgeopfert um Ihre Mutter zu pflegen!” usw. Was dabei auffällt: Es sind meistens die Töchter die die Pflege Ihrer Eltern übernehmen, weil Pflege ist ja “Frauenarbeit”. Ausserdem verdienen Frauen ja auch weniger als Männer! Da kann Sie ja auch zu Hause bleiben und sich um die Eltern kümmern während der Mann das Geld verdienen geht. Das zeugt meiner Meinung nach auch nicht gerade von Gleichberechtigung. Was ist denn dann aber in 10, 20, 30 Jahren, wenn es “normal” ist dass Frauen Vollzeit arbeiten, weil das Gehalt des Mannes einfach nicht mehr reicht? Oder weil die Frau schlicht und ergreifend keine Lust hat das “Heimchen am Herd” zu spielen? Oder weil die Frau geschieden ist. Oder wenn die Frau gar keine Lust auf eine Partnerschaft hat und lieber alleine durchs Leben geht. All diese gesellschaftlichen Entwicklungen passen immer weniger zu dem Modell “Pflege der Eltern”. Und Ich kann es keinem verdenken der die Pflege eines Angehörigen nicht als die Erfüllung all seiner Träume ansieht. Die Menschen in meinem Alter gehören einer Generation an die sich selbst verwirklichen will. Man zieht von zu Hause aus, oftmals nicht nur wie Ich in eine andere Stadt in einem anderen Bundesland sondern oft auch in ein anderes Land oder auf einen anderen Kontinent. Man hat dort eine Arbeit gefunden, eine Familie gegründet und Freunde gefunden. Wie soll man hier die Pflege übernehmen?
All dies ist für mich ein Anzeichen dafür dass dies nur ein weiteres Puzzlestück in unserer Gesellschaft ist, bei der die Denke einer gewissen Generation der Realität weit hinterherhinkt.
Diskutieren Sie mit einem deutschen Rentner mal darüber dass es in Japan Pflegeroboter gibt (aber bitte nur wenn Sie masochistisch veranlagt sind!). Ich höre es schon in meinen Ohren: Früher ging das doch auch, neumodisches Zeugs, du suchst nur einen Grund um uns “abzuschieben”, usw…
Ich bin mal gespannt wo und das Thema noch hinführt…..